Veranstaltung: | 52. Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt |
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Tagesordnungspunkt: | 6 Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Energie und LAG Digitales & Medien (dort beschlossen am: 30.04.2025) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 30.04.2025, 22:14 |
A8: Grünes Sachsen-Anhalt - Land der nachhaltigen Rechenzentren für europäische Souveränität
Antragstext
Ausgangslage
Deutschland benötigt mehr Rechenzentren. Zum einen muss in Reaktion auf die
derzeitige Weltlage digitale Souveränität und Resilienz aufgebaut und gestärkt
werden, um nicht auf amerikanische Hyperscaler wie Amazon, Microsoft oder Google
angewiesen zu sein. Zum anderen, weil sich durch KI-Anwendungen und die
zunehmende Cloud-Nutzung der Bedarf an Rechenkapazitäten massiv erhöht. Große
Rechenzentren sind allerdings auch große Energieverbraucher. Gerade US-
Amerikanische Anbieter setzen hierbei zunehmend auf Atom- oder Gaskraftwerke
[1;2]. Um dem unvermeidlich steigenden Bedarf an Rechenkapazität gerecht zu
werden, sollte die Energiewende in Deutschland nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Zielsetzung
Wir, Bündnis 90/Die Grünen fordern die Landesregierung auf einen Aktionsplan zur
gezielten Ansiedlung nachhaltiger Rechenzentren zu entwickeln, damit Sachsen-
Anhalt an dieser Entwicklung wirtschaftlich und nachhaltig teilhaben wird.
Erste Maßnahme sollte sein, als Eigner- und Trägerland, die IT-Dienstleisterin
Dataport AöR zur Erstellung einer sicheren Rechenzentren-Strategie zu
beauftragen. Die Dataport AöR betreibt sogenannte Twin-Rechenzentren, um die
essentiellen Daten aus Staat und Verwaltung zu spiegeln, sprich mit einem Backup
zu sichern. Allerdings rät der IT-Grundschutz des BSI jüngst für georedundante
Rechenzentren zu einem Mindestabstand von 200 Kilometern zwischen Standorten [3]
- ein Kriterium, das bei den bestehenden Rechenzentren in Hamburg und Schleswig-
Holstein nicht erfüllt wird und künftig beachtet werden sollte.
Sachsen-Anhalt bietet für die Ansiedlung grüner Rechenzentren hervorragende
Bedingungen. Geeignete Flächen sind vorhanden, ebenso eine hohe Verfügbarkeit
erneuerbarer Energien - der Anteil der Erneuerbaren an der Bruttostromerzeugung
lag 2022 bei rund 60% [4] mit steigender Tendenz. Das grösste, klimaneutrale
deutsche Telekom-Rechenzentrum in Biere ist ein gutes Beispiel dafür. Zudem
sollte die entstehende Abwärme über dem bereits gesetzlich geforderten Rahmen
energetisch genutzt werden und soweit möglich in bestehende Fernwärmenetze
eingespeist werden. Damit könnte Sachsen-Anhalt Vorreiter der gleichzeitigen
digitalen und ökologischen Transformation in Deutschland werden.
Die Landesregierung muss dafür sorgen, auch landesseitig die notwendigen
Bedingungen zu schaffen um von nationalen und internationalen Vorstößen in diese
Richtung zu profitieren.
Die Dataport AöR sollte ein neues Twin-Rechenzentrum in Sachsen-Anhalt errichten
- im doppelten Sinne: Sowohl als Backup für Datensicherung und Resilienz als
auch als Vorzeigeprojekt für Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Damit wird dieses
Rechenzentrum eine ausschlaggebende Referenz für privatwirtschaftliche
Ansiedlungen im Rahmen der geforderten Landesstrategie sein.
Forderungen:
- Ansiedlungsstrategie für nachhaltige Rechenzentren.
- Verbindliche Effizienzstandards: Stromverbrauchskennwert (PUE, Power-
Usage-Effectiveness-Wert) ≤ 1,2 und Wasserverbrauch (WUE) ≤ 0,2 Liter pro
kWh Rechenleistung ab Inbetriebnahme [6].
- Nutzung von mindestens 30 % der entstehenden Abwärme zur Einspeisung in
lokale Wärmenetze bis spätestens 2028 [7;19].
- Ausschließliche Versorgung durch regional erzeugte erneuerbare Energien,
ggf. durch den Abschluss langfristiger Power Purchase Agreements (PPAs)
[8].
- Vorrangige Nutzung von bereits versiegelten (Brownfield) oder belasteten
Flächen zur Vermeidung zusätzlicher Flächenversiegelung [9].
- Aufbau eines Lehrstuhls „Green Datacenter“ an einer Hochschule in Sachsen-
Anhalt und gezielte Fachkräfteprogramme zur Stärkung der regionalen
Kompetenzen.
- Sachsen-Anhalt setzt sich dafür ein, dass Rechenzentren, die Regelenergie
oder Speicherkapazitäten zur Netzstabilisierung bereitstellen, gefördert
werden.
- Einrichtung eines öffentlichen Energie- und Umweltmonitorings für alle
landesseitig unterstützten Rechenzentren.
- Aufbau eines georedundanten Twin-Rechenzentrums von Dataport in Sachsen-
Anhalt mit einem Abstand von mindestens 200 km zu den bestehenden
Standorten [3].
Begründung
Dataport selbst hat sich in seinem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht zu ambitionierten Umwelt- und Klimazielen bekannt. Darauf aufbauend sollte Sachsen-Anhalt fordern, ein weiteres Twin-Rechenzentrum zu errichten das ökologische Verantwortung und digitale Resilienz vereint [10].
Auch der neue Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU im Bund unterstützt diese Zielrichtung. Unter der Überschrift "Deutschland als Rechenzentrumsstandort" (Z. 2191 ff.) wird der "Auf- und Ausbau von Rechenzentren, insbesondere auch in Ostdeutschland" explizit hervorgehoben. Weiter heißt es: "Wir treiben die praxisnahe Umsetzung der Klimaneutralität voran und erleichtern zum Beispiel Abwärmerouten zur Einspeisung ins Fernwärmenetz" [5].
Es gibt schon positive Beispiele aus Sachsen-Anhalt. Das energieeffiziente Rechenzentrum der Telekom in Biere existiert bereits seit über 11 Jahren und ist mit 970 Petabyte Daten (und als Twin-Core Rechenzentrum) ein bedeutender Standort für die globale Wirtschaft. Über die Jahre hinweg bleibt das Rechenzentrum bei einem PUE (Power-Usage-Effectiveness-Wert) von unter 1,3 stabil - ein Erfolg, der bereits bei der Konzeption durch gezielte nachhaltige Planung ermöglicht wurde [16]. Der PUE beschreibt den Gesamtenergieverbrauch im Verhältnis zur für die reine Rechenoperation benötigten Energie.
Sachsen-Anhalt ist Land der Erneuerbaren Energien Beim Ausbau der erneuerbaren Energien nimmt Sachsen-Anhalt eine Spitzenstellung in Deutschland ein. Im Jahr 2022 lag der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung bei mehr als 60 Prozent [17]. Damit ist Sachsen-Anhalt auf einem guten Weg, das Bundesziel von 80 Prozent bis 2030 zu erreichen. Diese Standortqualität wurde auch von großen Investoren wie Intel positiv hervorgehoben, die sich auch aufgrund der Verfügbarkeit von Ökostrom für Magdeburg entschieden haben [18].
Der globale Strombedarf von Rechenzentren wird sich nach Schätzung der IEA bis 2030 mehr als verdoppeln [12]. Schon 2024 verbrauchten Rechenzentren in Deutschland etwa 18 Terawattstunden Strom (rund 3 % des gesamten Stromverbrauchs) – mit einer jährlichen Wachstumsrate von rund 5 % [13]. Bislang bleibt die bei Rechenzentren entstehende Abwärme vielfach ungenutzt – ein großes Versäumnis, da hier wertvolle Potenziale für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung verloren gehen [7].
Auch arbeitsmarktpolitisch bietet das Vorhaben Chancen: Rechenzentren schaffen hochqualifizierte, spezialisierte Arbeitsplätze. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig Fachkräfte im Bereich Green IT, Energie- und Infrastrukturmanagement auszubilden und zu binden, um Wertschöpfung und Beschäftigung langfristig in Sachsen-Anhalt zu sichern.
Die Abhängigkeit von US-Amerikanischen Cloud-Diensten stellt zudem eine wachsende Gefahr für die digitale Souveränität dar – nicht zuletzt wegen des US-Amerikanischen CLOUD-Acts, der auf alle Server, unabhängig vom Standort, Zugriff ermöglicht [14]. Eigene Rechenzentren, die höchsten Datenschutz- und Nachhaltigkeitsanforderungen entsprechen, sind ein Schlüssel für digitale Selbstbestimmung.
Die Empfehlung eines Mindestabstands von 200 km zwischen georedundanten Rechenzentren basiert auf den Richtlinien des BSI, um Risiken durch Naturkatastrophen - auch aufgrund des Klimawandels - und andere Gefährdungen zu minimieren [3].
Quellen:
[1] https://www.reuters.com/business/energy/us-lng-exporters-could-lose-out-ai-gas-demand-booms-bousso-2025-04-29/ – US LNG exporters could lose out as AI gas demand booms (Reuters, 29. 04. 2025)
[2] https://www.microsoft.com/en-us/microsoft-cloud/blog/2024/09/20/accelerating-the-addition-of-carbon-free-energy-an-update-on-progress/ – Accelerating the addition of carbon‑free energy (Microsoft Cloud Blog, 20. 09. 2024)
[3] https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/RZ-Sicherheit/Standort-Kriterien_Rechenzentren.pdf?__blob=publicationFile&v=5 – BSI‑Studie Sicherheit von Rechenzentren (Empfehlung 200‑km‑Abstand)
[4] https://statistik.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Landesaemter/StaLa/startseite/Daten_und_Veroeffen-tlichungen/Pressemitteilungen/2024/l_Dezember/356-Strombilanz2022.pdf?utm_source=chatgpt.com – Statistik Sachsen‑Anhalt: Erneuerbare Energien 2022
[5] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag2025_bf.pdf – Koalitionsvertrag 2025 (SPD / CDU/CSU)
[6] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/43-_2024_texte_kpi4dce_im_feld.pdf – Umweltbundesamt: Klimaneutrale und effiziente Rechenzentren
[7] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/energieeffizienzgesetz-2184812 – BMUV‑Pressemitteilung: Neues Energieeffizienzgesetz beschlossen
[8] https://www.cleanenergywire.org/news/renewables-capacity-new-electricity-power-purchase-agreements-quadruples-germany – Clean Energy Wire: Green‑Power‑PPAs in Deutschland
[9] https://mid.sachsen-anhalt.de/infrastruktur/raumordnung-und-landesentwicklung/flaechenrecycling?tx_news_pi1%5BcurrentPage%5D=0&cHash=2477c9e-c31f1b54a269acbaeeb4e5a57 - Landesinitiative Flächenrecycling in Sachsen-Anhalt
[10] https://www.dataport.de/unternehmen/nachhaltigkeit/ – Dataport AöR: Nachhaltigkeitsbericht
[11] https://www.telekom.com/de/medien/medieninformationen/detail/eine-dekade-cloud-rechenzentrum-biere-in-sachsen-anhalt-feiert-geburtstag-1069104 – Deutsche Telekom: Eine Dekade Cloud – Rechenzentrum Biere
[12] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wirtschaft/erneuerbare-energie-ansiedlung-faktor-unternehmen-intel-100.html – MDR: Ökostrom als Standortfaktor für Intel in Magdeburg
[13] https://www.iea.org/news/ai-is-set-to-drive-surging-electricity-demand-from-data-centres-while-offering-the-potential-to-transform-how-the-energy-sector-works – IEA: AI set to drive surging electricity demand from data centers
[14] https://www.bitkom.org/sites/main/files/2024-11/241121-studie-rechenzentrumsmarkt.pdf – Bitkom‑Studie Rechenzentrumsmarkt 2024
[15] https://www.heise.de/news/Raus-aus-der-US-Cloud-Wege-zur-digitalen-Souveraenitaet-c-t-uplink-10339838.html – Heise: Raus aus der US‑Cloud – Wege zur digitalen Souveränität