Veranstaltung: | 52. Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt |
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Tagesordnungspunkt: | 6 Anträge |
Antragsteller*in: | Miriam Matz (KV Altmark) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.05.2025, 12:10 |
A11: Sicherheit in der Eingliederungshilfe in Sachsen-Anhalt schaffen
Antragstext
Nach der einseitigen Kündigung des Landesrahmenvertrags zur Eingliederungshilfe
durch Sozialministerin Grimm-Benne steht die Eingliederungshilfe[1] mit ihren
ca. 30.820 Nutzer*innen (Stand: 2023) in Sachsen-Anhalt unter erheblichem
Druck[2]. Seit Januar 2025 gilt eine Übergangsverordnung; ein neuer
Rahmenvertrag ist nicht in Sicht. Das schafft Unsicherheit für Träger,
Leistungserbringer, Beschäftigte und Nutzer*innen der Eingliederungshilfe.
Verbände haben berechtigte Sorge[3], dass massive Einschnitte bevorstehen und
Personal abgebaut werden muss – obwohl bereits Fachkräftemangel besteht und
Personalschlüssel zu hoch angesetzt sind. Ein Personalabbau gefährdet nicht nur
die Qualität der Arbeit und Gesundheit der Fachkräfte in der
Eingliederungshilfe, sondern beeinträchtigt auch die Lebensqualität und
letztlich die Inklusion von Menschen mit Behinderungen[4]. Mehrere Verbände
haben daher Klage gegen die Verordnung des Sozialministeriums eingereicht[5].
Angesichts der individuellen Bedarfe der Nutzer*innen der Eingliederungshilfe
wird es nicht möglich sein, Komplexleistungen (umfassende Hilfen, die mehrere
Leistungen bündeln) in so zu reduzieren, wie es die Ministerin anstrebt. Eine
wohnortnahe, personenzentrierte Versorgung muss auch künftig gewährleistet sein.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt unterstützen grundsätzlich das Ziel des
Sozialministeriums, neue Konzepte zu entwickeln, die Inklusion, Selbstbestimmung
und Teilhabe stärken. Auch der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit
Behinderungen hat Deutschland deutlich aufgefordert, konkrete Maßnahmen zur
Deinstitutionalisierung umzusetzen[6]. Handlungsleitend muss dafür die mit dem
Bundesteilhabegesetz (BTHG) eingeführte personenzentrierte Leistungserbringung
unabhängig vom Wohnort sein, damit Menschen mit Behinderungen ihr Leben
möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich planen und danach auch führen
können (§ 90 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Die Leistungserbringer der Eingliederungshilfe
benötigen jedoch nicht zusätzlichen Druck, sondern gezielte Unterstützung bei
der Entwicklung und Umsetzung entsprechender, individueller Konzepte zur
Deinstitutionalisierung und der Schaffung echter Wahlmöglichkeiten. Dies
erfordert mehr qualifiziertes Personal, auch in den Sozialämtern, und belastbare
Rahmenbedingungen, die nur mit einem neuen überarbeiteten Landesrahmenvertrag
gegeben sind. Eine Übergangsverordnung, die den Status quo konserviert, ist
dafür keine Lösung.
Das Recht auf Inklusion ist kein Randthema, sondern geht alle an. Jede*r kann
jederzeit auf Eingliederungshilfe angewiesen sein. Das Sozialministerium muss
das Vertrauen von Betroffenen, Angehörigen, Trägern, Leistungserbringer und
Beschäftigten zurückerlangen und mit einem neuen Landesrahmenvertrag in diesem
Bereich zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern Sozialministerin Grimm-Benne daher
auf, ihre Politik mit der Brechstange zu beenden und zeitnah einen neuen Entwurf
für einen Landesrahmenvertrag vorzulegen. Dabei sind die Vereinigungen der
Leistungserbringer und die Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen
nach § 131 S. 1 und S. 2 SGB IX sowie der Landesbehindertenbeauftragte und die
Perspektiven Angehöriger von Beginn an miteinzubeziehen.
[1] Bei der Eingliederungshilfe handelt es sich um Geld-, Sach- und
Dienstleistungen nach dem SGB IX, die Menschen mit Behinderung bzw. mit
drohender Behinderung helfen soll, ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes
Leben führen zu können.
[3]https://www.awo-sachsenanhalt.de/aktuelles/sozialabbau-in-sachsen-anhalts-
behindertenhilfe-protestmarsch-und-kundgebung-am-10-
dezember?file=files/01_Landesverband/00_Aktuelles-Presse/aktuelles-presse-
2024/20241024_demo_eingliederungshilfe/04122024_pressemitteilung_protestmarsch-
md_aufruf.pdf&cid=31167 sowie https://www.liga-fw-lsa.de/wp-
content/uploads/2024/11/24-11-08-MP-offener-Brief-LRV-Eingliederungshilfe.pdf